Grundsätzlich ist das Georg Kolbe Museum in Berlin-Westend immer einen Besuch wert – ganz egal, welche Ausstellung dort gerade gezeigt wird. Denn das Haus an sich, die Skulpturen im Garten und im Keller zeugen davon, dass der ehemalige Hausbesitzer nicht nur Geschmack hatte, sondern ein ganz außergewöhnlicher Künstler war. Dazu kommt das Ambiente, die Lage des Hauses abseits des Berliner Trubels. Vögel zwitschern, die ersten Frühblüher recken gerade ihre Blätter und Knospen in die Berliner Luft und man fühlt sich ein bisschen, als wäre man der Welt komplett entrückt…
Dieses Gefühl setzt sich fort, wenn man die Räume betritt und eine kleine, aber feine Auswahl der Werke von herman de vries „how green ist he grass?“ anschaut. Sie zu betrachten, ist ein bisschen wie ein Waldspaziergang – kaum hat man die ersten Schritte zwischen den Ausstellungsstücken gemacht, atmet man tief durch und spürt regelrecht, wie die Last von den Schultern abfällt. Gleichzeitig geschieht etwas, das man nur auf einer Ebene erklären kann, zu der wir im hektischen Alltag kaum Zugang haben: Wir verbinden uns mit der Natur.
Die Ausstellung kommt zu einem Zeitpunkt, da Fridays for Future nach wie vor Schlagzeilen macht und bei vielen Menschen das Bewusstsein für unsere Umwelt, die Natur und unser Verhältnis zu ihr mehr in den Fokus rücken, als das noch vor fünf oder zehn Jahren der Fall war. Ich bin sicher, dass man damals anders durch die Räume gegangen wäre als heute, wo Bücher, wie Peter Wohllebens „Das geheime Leben der Bäume“ über Monate auf der Spiegel-Bestseller-Liste platziert sind. Der Fokus vieler Menschen hat sich verändert und damit rücken auch Künstler wie de vries endlich mehr ins Blickfeld – Künstler, die scheinbar nicht in den modernen Kunstbetrieb passen, weil ein großer Teil von dem, was sie zeigen, ja nichts anderes abbildet, als das, was uns tagtäglich umgibt. Doch liegt nicht genau darin die Kunst? Fast schon stoisch darauf zu verweisen, dass wir das, was uns umgibt, gar nicht mehr wahrnehmen? Nicht mehr schätzen? Dass wir achtlos darauf herumtrampeln oder daran vorbeigehen?
Für mich ist das Schöne an dieser Ausstellung, dass de vries uns wie Kinder an die Hand nimmt und wieder staunen lässt. Ich stand vor den Farben der Erde und war mit meinen Gedanken sofort an den verschiedenen Orten. Natürlich mit der Frage im Kopf: „Warum habe ich das nicht gesehen? Habe ich es gesehen und dem keine Beachtung geschenkt?“
Viel ist in den letzten Wochen und Monaten davon die Rede, dass wir Gräben überwinden, uns wieder verbinden müssen. Der Beitrag, den herman de vries mit „how green ist he grass?“ dazu leistet, mag leiser sein, als der Sprechchor auf einer Demo oder Worte aus dem Politikbetrieb. Und trotzdem berühren die Sinnlichkeit und die Nähe seiner Arbeiten.
Natur ist unsere Natur. Um das im Kern zu erfassen, braucht es manchmal nur den Anblick einer Wurzel.
herman de vries. how green is the grass?
Noch bis zum 03. Mai 2020
Georg Kolbe Museum
Georg Kolbe Museum, Sensburger Allee 25, 14055 Berlin