Die Galerie alexander levy präsentiert unter dem Titel „Echtzeit“ aktuelle Arbeiten des Künstlers Felix Kiessling. Für Felix Kiessling sind physikalische Phänomene für viele seiner Arbeiten. Auf spielerische Weise ergründet er die menschliche Wahrnehmung und die Frage, wie die Welt zusammenhängt. Dabei sind für ihn Größen wie Kraft, Spannung und Wirkung ausschlaggebend. Kiessling versucht die Grenzen des Möglichen zu erforschen und zu erweitern. Für die kommende Ausstellung wird er nun das Dystopische im gesellschaftlichen Kontext von Großstädten untersuchen und dieses in den Kontext schwer fassbarer kosmischer Phänomene setzen.

In der Ausstellung werden einzelne Werkkomplexe zu einem gesamten Raumkonzept vereint. Beim Betreten des Galerieraums werden Besuchende Teil einer lebhaften, non-linearen Welt: Der gesamte Raum befindet sich im Dämmerlicht, die Vorhänge sind zugezogen, nur einzelne Objekte im Raum scheinen wie von Geisterhand in Bewegung zu sein. Die kinetischen Skulpturen übertragen auditiv und visuell Naturgewalten in Echtzeit.

Die Arbeit „Seismisches Schlagzeug“ trommelt mit an einem Ende zu Drumsticks freigeschnitzten Eichenästen seismische Echtzeit–Daten, gegen die Wände. Motorisiert von Schrittmotoren und gekoppelt an eine seismische Karte geben die Drumsticks den Takt der Welt wieder. Die durch unsere Konsumgesellschaft ausgebeutete Natur wird mittels Kiesslings subversivem Akt mit der Ursprungsform verbunden: Kultur trifft Natur, indem das menschlich Erschaffene mit der natürlichen Vorlage verbunden wird.

Die Schumann-Niederfrequenz, ein (über-)irdisches Phänomen, das von den menschlichen Sinnen nicht wahrgenommen werden kann, wird in der Arbeit „Schumann KB“ von einem selbstspielenden Kontrabass abgebildet. Das automatisierte Instrument, übersetzt die Schumann-Niederfrequenz in Echtzeit und lädt damit zu einer phänomenologischen Begegnung mit der Welt ein. Auch in der Arbeit „Schmetterling (Kraftrad)“ wird eine Naturgewalt für Besuchende im Ausstellungsraum erfahrbar gemacht: die Scheinwerfer eines am Boden liegenden Motorrads flackern in Echtzeit, getrieben von globalen Blitzeinschlägen. Durch die flimmernden Rücklichter und die stille Bewegung eines der Räder vermittelt die Szenerie den Eindruck eines abrupten Aufbruchs. Dieses Gefühl erstreckt sich auch bis in den hintersten Raum der Galerie: dort betreten die Besuchenden einen angedunkelten Bereich und finden eine verlassene Bar vor; Musik läuft leise und lädt Betrachtende dazu ein, näher zu treten.

Wieder zurück im Ausstellungsraum können mit Hitze verformte Schnapsflaschen entdeckt werden, scheinbar zufällig stehen sie im Raum verteilt und verhalten sich zu- und miteinander, und nehmen dadurch menschliche Züge an. Die Betrinkenden werden selbst zu Betrunkenen. Die Ausstellung wird durch eine Klangarbeit aus vereinzelten, poetischen Worten und Sätzern mit ausgedehnten Pausen ergänzt. Sie erinnern an die Bahnhofs Durchsagen und erwecken Assoziation einer leeren verlassenen S-Bahn-Station.

Felix Kiesslings Werke sind das Ergebnis umfangreicher Untersuchungen über die Möglichkeiten und Schwächen unserer urbanen, konturierten Umwelt. Sie verweisen auf eine Zeit, in der Gesellschaften unserer globalisierten Realität mit sozialer Trennung und Exklusion konfrontiert sind. In einem Gefüge aus kinetischen Installationen verbindet der Künstler diese Thematiken mit globalen und natürlichen Phänomen und befragt damit die Auswirkungen und Verbundenheit jeder unserer Handlungen.

Felix Kiessling, 1980 in Hamburg geboren, studierte an der Universität der Künste Berlin. 2014 war er Meisterschüler von Olafur Eliasson, an dessen Institut für Raumexperimente er von 2009 bis 2014 studiert hat. Felix Kiesslings Werke wurden in nationalen und internationalen Institutionen und Ausstellungen u.a. im Matucana100 (Santiago, Chile), im MOCAK – Museum of Contemporary Art Krakow (Krakau, Polen), in der Neuen Nationalgalerie (Berlin), im Hamburger Bahnhof (Berlin), im Sprengel Museum (Hannover) und auf der 5th Moscow International Biennale for Young Art (Moskau, Russland) gezeigt.

Felix Kiessling – Echtzeit

3. März 2023 – 8. April 2023

alexander levy