Kolumne von Jeannette Hagen. Leben bedeutet Wandel. So simpel dieser Grundsatz daherkommt, so schwierig ist es dann und wann, dem auch gerecht zu werden. In den eigenen vier Wänden fällt es noch leicht: Die in die Jahre gekommenen Möbelstücke landen auf dem Sperrmüll, Klamotten, die nicht mehr der Mode entsprechen entweder auf dem Speicher, im Keller oder vielleicht im Second-Hand-Shop. Aber wie geht man mit Kunst um, die im öffentlichen Raum installiert ist und durch gesellschaftliche oder geschichtliche Veränderungen einfach nicht mehr in die Zeit passt?
Einen in meinen Augen recht unrühmlichen Weg hat vor einigen Jahren die Alice Salomon Hochschule in Berlin gewählt, die die poetischen Zeilen „Alleen“ von Eugen Grominger entfernt und durch ein anderes Gedicht hat ersetzen lassen. Bis heute erschließt sich mir nicht, was an diesem Gesicht derart sexistisch sein soll, dass es die Debatte und letztendlich die Übermalung gerechtfertigt hat. Aber das ist meine persönliche Haltung.
Was sich zeigt, ist, dass die Frage, wie man mit baubezogener Kunst umgeht, immer wieder auftaucht. Vielleicht erinnerst Du Dich, dass wir hier an dieser Stelle den Berliner Künstler und Autor Michael Wäser vorgestellt hatten, der das riesige Mosaik am „Haus des Lehrers“ in Berlin Mitte digital neu interpretiert hat. LINK Das wurde natürlich nie gebaut, aber es zeigt sehr schön, wie wir uns als Gesellschaft gewandelt, wie sich unsere Prioritäten verschoben haben. Und es zeigt, wie man sich dem Thema nähern kann, ohne gleich mit dem Pinsel oder der Abrissbirne zu kommen.
Aktuell gibt es in Erfurt noch ein weiteres Beispiel, für den engagierten Umgang mit einem Kunstwerk, das buchstäblich aus der Zeit gefallen ist. Auch hier handelt es sich um ein Mosaik, das zu DDR-Zeiten von dem spanischen Künstler Josep Renau geschaffen wurde. Renau war überzeugter Kommunist und ein Kritiker des amerikanischen „Way of Life“, dem er unter anderem eine Serie von gleichnamigen Fotomontagen widmete. Dass sein Wandbild „Die Beziehung des Menschen zu Natur und Technik“ Dank des Kulturdezernenten der Stadt Erfurt, Tobias Knoblich, restauriert und fast an seinem alten Platz wieder angebracht wurde, ist in doppelter Hinsicht ein großer Gewinn.
Zum einen deshalb, weil es verdammt schade wäre, einen Künstler wie Renau in den Archiven verstauben zu lassen. Dazu ist die Botschaft seiner Werke im heutigen Kontext von Gesellschafts- und Umweltkrisen wieder viel zu aktuell. Das zeigt auch das Wandbild, das auf der einen Seite zwar den Reichtum der Natur symbolisiert, auf der anderen Seite aber sehr gut offenlegt, dass wir der Natur etwas nehmen und dass wir sie technologisieren und durch die heutige Brille betrachtet – auf gewisse Weise natürlich dadurch auch den Kontakt zu ihr verlieren.
Der andere wichtige Punkt ist, dass Kunst natürlich immer auch Kulturgeschichte ist. Sie gehört zu den Menschen, die mit ihr aufgewachsen sind, die sie vielleicht tagtäglich betrachtet haben. Gerade der Umgang mit architekturbezogener DDR-Kunst war in dieser Hinsicht recht unbedacht, fast schon vernachlässigend, was sich auf gewisse Art zweifellos auch negativ ins kollektive Gedächtnis einprägt hat, selbst wenn die Ideologie, die vielen DDR-Kunstwerken anhaftete, berechtigterweise der Vergangenheit angehört.
Kulturelles und künstlerisches Erbe ist zweifelsfrei oftmals belastet. Trotzdem lohnt sich der feinfühlige Umgang damit. Der Wunsch, etwas aus der Welt haben zu wollen, weil es vielleicht nicht zu aktuellen Wertvorstellungen passt, ist verständlich, verdeckt aber leider, dass das Neue aus dem Vergangenen hervorgeht, dass das auch immer mit einem Lernprozess, den man wertschätzen kann, verbunden ist, und dass die kritische Auseinandersetzung damit nicht mehr stattfindet, wenn man es eliminiert.
Video: Renau-Mosaik zurück am Moskauer Platz
Quelle: erfurt.de @Stadtverwaltung Erfurt