Heute unternehme ich mit Dir einen Ausflug in die wunderbare Welt der Lyrik und der Literatur. Wir starten in Charlottenburg, wo sich in der Fasanenstraße 23 das Literaturhaus befindet. Auf der Internetseite kann man in die Geschichte der wunderschönen Villa eintauchen und erfährt, dass sie erst seit 1986 als Haus für die Literatur genutzt wird. Vorausgegangen war eine 1984 erschienene Studie mit dem Titel „Bericht zur Situation der Literatur in Berlin“, in der man zu dem Schluss kam, dass die Literatur der Stadt lediglich mit 0,5 Prozent des Kulturhaushaltes gefördert wurde.
Also beschloss der damalige Kultursenator Volker Hassemer, das zu ändern und einen Ort zu schaffen, an dem Literatur und Öffentlichkeit zusammenkommen konnten. Heute ist das Haus eine Institution und aus dem kulturellen Angebot Berlins nicht mehr wegzudenken. Überhaupt hat die Literatur heute einen anderen Stellenwert als zu Zeiten der Gründung. Und auch wenn Bücher heute Massenware sind, so umhülllt die Lesenden doch ein gewisses Flair, wenn sie in Geschichten und Epochen eintauchen – ein Flair, das auch die Villa in der Fasanenstraße 23 umspielt und das man bei zahlreichen Veranstaltungen, die nun wieder stattfinden können, einsaugen kann.
Und weil wir schon beim Eintauchen in Epochen sind: Wie haben eigentlich englische Autor*innen die Stadt in den 1920-er und 1930er Jahren erlebt? Konnte man in der Stadt zwischen zwei Weltkriegen glücklich sein? Die Antwort lieferte damals der englische Reiseführer „How to be Happy in Berlin“ aus dem Jahr 1929, in dem Besucher*innen aus aller Welt erklärt wurde, was man tun sollte, um in dieser neuen, pulsierenden Metropole, die London und Paris in nichts nachstand, diesen Zustand zu erreichen.
Das ist nun fast 100 Jahre her, und anlässlich dieses Jubiläums lädt das Literaturhaus zu einer Ausstellung ein, die die Berliner Wege englischer Autor*innen wie Virginia Woolf, Christopher Isherwood und W.H. Auden zu den komsopolitischen Cafés, zu berühmten wissenschaftlichen Instituten, in die Avantgarde-Kinos und die halbseidenen Kabaretts der Hauptstadt der 1920-er Jahre nachzeichnet.
Neben dem Literaturhaus ist die Humboldt-Universität zu Berlin an der Ausstellung beteiligt, wo neben pleasure vor allem politics und psychoanalysis im Fokus stehen. Hier folgen wir Virginia Woolfs Geliebten Vita Sackville-West und deren Ehemann Harold Nicolson oder Christopher Isherwoods Freund William Robson-Scott, der an der Berliner Universität von nationalsozialistischen Studenten bespitzelt wurde.
Zu sehen ist die zweisprachige Ausstellung vom 16.6. bis 31.7.2021 im Literaturhaus Berlin sowie im Foyer des Grimm-Zentrum der Humboldt-Universität zu Berlin. Nähere Informationen hier.
Und wir bleiben beim gedruckten Wort, wechseln allerdings zur Lyrik, die derzeit ein kleines Comeback erlebt. Klein deshalb, weil sie gemessen am großen Buchmarkt nur einen winzigen Teil der Verkäufe belegt – trotzdem finden sich gerade in der Generation der heute 20- bis 30-Jährigen wieder mehr Liebhaber*innen als noch vor einigen Jahren.
Dass Lyrik eine coole Sache ist, dachte sich auch Fabian Leonhard und gründete im November 2020 – also in einer Zeit, in der jede*r Gründungsberater*in eigentlich davon abgeraten hätte, ein Unternehmen, noch dazu einen Verlag zu gründen – den Trabanten Verlag, um „Lyrik wieder in den Alltag zu bringen“. Heute, ein halbes Jahr später, kann man sagen, dass ihm das gelungen ist. Neben zwei Gedichtbänden, die sich hervorragend verkauften, startete er das Projekt #Lockdownlyrik auf Instagram – ein Aufruf, dem 1400 Menschen folgten. Aus diesen Beiträgen wählte eine Jury 100 Gedichte aus. Herausgekommen ist ein wunderbares Buch, das jenseits von Inszidenzen, Fallzahlen und anderen Statistiken das Leben im Lockdown auf poetische Weise einfängt. Der Neurobiologe Gerald Hüther hat im Vorwort zu Konstantin Weckers Buch „Auf der Suche nach dem Wunderbaren – Poesie ist Widerstand“ geschrieben:
„Um Poesie zu einer kreativen Kraft werden zu lassen, reicht es nicht, schöne Worte aneinanderzureihen. Zu einer Waffe wird Poesie erst dann, wenn sie unter die Haut geht und die Menschen tief in ihrem Inneren berührt. Sie wieder mit sich selbst, mit ihren ganz unten im Gehirn abgelegten Hoffnungen und Sehnsüchten verbindet. Dann kann es passieren, dass eine solche Person aufwacht und bemerkt, dass sie ihr Leben auf eine Weise eingerichtet hat, wie sie gar nicht Leben (!) wollte.“
Ich denke, dass die Zeit in der wir leben, prädestiniert dafür ist, unsere Konzepte zu hinterfragen, uns auf unsere Gefühle zu besinnen, auf unsere Sehnsüchte und Wünsche. Der Weg dorthin kann über das gelesene Wort führen. Über Worte, die uns berühren. Egal, ob geschrieben vor 100 Jahren oder mitten in einer Pandemie.
Link zum Trabanten Verlag: www.trabantenverlag.de