Während die Pandemie wie klebriger Teig an uns hängt, hat man den Eindruck, dass die Kunst irgendwie ihren Weg gefunden hat, damit umzugehen. Zumindest scheint es so. Hier und da hängen in der Stadt wieder Plakate, werden Ausstellungen angekündigt, KünstlerInnen werden interviewt, man schreibt wieder über Kunst, es gibt sogar einen neuen Hype – NFT’s, also digitale Kunst, die für horrende Summen die BesitzerInnen wechseln.
Also alles wie immer?
Nein. Keineswegs. Für mich ist diese scheinbare Normalität problematisch, denn sie ist nicht normal. In meinen Augen ist genau das passiert, was abzusehen war – eine Reduktion des künstlerischen Raumes. Ein Schrumpfen des Habitats. Viele KünstlerInnen, kleine Gruppen oder Arrangements haben aufgegeben, weil die Hilfen sie nicht erreicht haben oder zu dürftig waren. Was bleibt, ist eine Landschaft, die hier und da ein paar bunte Flecken hat, der man aber insgesamt ansieht, dass sie nicht mehr in derselben Vielfalt lebt, wie noch vor zwei Jahren.
Und noch etwas: Kunst war selten reaktiv, sondern überwiegend aktiv: vordenkend, vorausschauend, vorausgehend, visionär. Nun humpelt sie ein bisschen geschwächt den Ereignissen hinterher und manchmal wirkt es, als bestünde die Gefahr, dass sie sich verliert.
Nun kann man sich fragen, ob das alles schlimm ist. Ob sich nicht einfach etwas „gesundgeschrumpft“ hat, was sowieso zu groß, zu überbewertet, zu gehyped war. Ob das ganze Konstrukt „Kunst“ nicht einfach all die Jahre überschätzt war. Brauchen wir wirklich so viele Museen, Theater, Kleinkunstbühnen, Galerien? Reicht es nicht, ab und zu mal einen Stream anzuschauen, einen virtuellen Rundgang durch ein beliebiges Museum zu machen? Fehlt uns die kleine Galerie um die Ecke, in der immer nur ein Mensch saß, der sich scheinbar langweilte, wirklich?
Für mich sind das wichtige Fragen. Dafür, sie zu beantworten, sie in einem größeren Rahmen zu beantworten, wäre jetzt genau der richtige Augenblick. Die Chance, die darin steckt, wäre eine neue Aus- und Aufrichtung. Nicht ein „Weiter so!“ unter eingeschränkten Bedingungen, sondern etwas Neues, das die guten und wichtigen Elemente, jene, die sich bewährt haben, in einen neuen Kontext einbindet.
Natürlich liegt momentan der Fokus auf der Wissenschaft, auf Struktur, auf Ordnung. Es geht um nichts Geringeres, als ums Überleben und das auf vielen Ebenen. Trotzdem ist jetzt auch die Zeit zum Diskutieren, Debattieren, Streiten – und ja, auch wenn wir alle müde oder „mütend“ sind. Tun wir es nicht, geht etwas verloren, was in den letzten Jahren sowieso schon in den Hintergrund gerückt ist: das Bewusstsein für den Kunstraum in uns selbst. In jedem von uns. Je fester wir den verschließen, desto belangloser wird Kunst außerhalb von uns selbst. Beides gehört zusammen, nährt einander, bringt Neues hervor. Beides stirbt, wenn wir eins vernachlässigen. Und nicht nur das – am Ende stirbt auch eine Gesellschaft, die nicht versteht, dass der Kunstraum in uns selbst die Basis jedes Fortschritts ist – ein Ort der Transformation, ohne die wir irgendwann, ausschließlich um uns selbst kreisend, verkümmern.
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