Galerie Tanja Wagner Vidéothèque

Galerie Tanja Wagner

Die Galerie Tanja Wagner möchte mit Vidéothèque, jeweils drei von der Künstlerin bzw. vom Künstler ausgewählten Videoarbeiten, den künstlerischen Dialog mit Besucherinnen und Besuchern auch während der Corona-Krise aufrecht erhalten: Aktuell sind Arbeiten von Anna Witt zu sehen, die sich mit der Zukunft der menschlichen Beziehung und Arbeit befassen. Auch Witts neueste Videoinstallation “Unboxing the Future”, die die Beeinflussung von Automatisierung und künstlicher Intelligenz die Arbeitssituation in einer Industriestadt wie Toyota, Japan, diskutiert, ist jetzt bis zum 15. April exklusiv in voller Länge auf der Galerie-Website zu sehen.

“PFLEGE” (2017) aus dem Video-Projekt “Care” handelt von zwei geriatrischen Krankenschwestern in Japan. Eine Gruppe von Amateur-Tänzern entwickelte ein Stück Choreografie, das auf den Arbeitsabläufen und Erfahrungen zweier junger indonesischer Krankenschwestern basiert, die in der Demenzversorgung arbeiten. Die von Butoh und Improvisationstanz beeinflussten Tänzer waren teilweise schon etwa achtzig. Sie führten ihre persönliche Interpretation der Pflegearbeit als Intervention in den öffentlichen Raum des Stadtzentrums von Maebashi durch, der die Auswirkungen einer alternden und schrumpfenden Bevölkerung spürt. Auf einer Textebene erklären die Krankenschwestern, was sie motiviert hat, Indonesien zu verlassen und Arbeit im Ausland zu suchen. Wir erfahren von einer massiv alternden Gesellschaft, in der die Altenpflege traditionell von Töchtern und Schwiegertöchtern wahrgenommen wird, und von der sensiblen Beziehung zwischen den Arbeitnehmern und ihren älteren Patienten. Die Tänzer im Video Care interpretieren die persönlichen Erfahrungen und Bewegungen der indonesischen Krankenschwestern, deren Existenz in der Gesellschaft weitgehend unsichtbar bleibt. Nähe, körperlicher Kontakt, Selbsthingabe, Selbstbeherrschung, Ermächtigung und Entmachtung sind wichtige Themen zwischenmenschlicher Beziehungen, die immer die Würde des Einzelnen betreffen und daher politisch aufgeladen sind.

“BODY IN PROGRESS” (2018): Die Videoinstallation Body in Progress von Anna Witt beschäftigt sich mit der Vorstellung und Optimierung der Arbeits- und Lebenswelt. Hier werden sie durch eine Analogie zwischen Arbeit und Training konzipiert. In einem 5-Kanal-Video werden Panoramen und Details des Arbeitsumfelds in den Hotels, Baustellen und Büros des Erste Campus der Region mit Aufnahmen sportlicher Interventionen zu einem fragmentarischen Ganzen verwoben. Anna Witt bat eine Gruppe von Calisthenics-Athleten, die Gebäude und Arbeitsbereiche für ihre Körpergewichtsübungen zu nutzen. Bei dem relativ neuen Extrem-Lifestyle-Sport der Calisthenics geht es um Freikörpertraining, bei dem Fitnessgeräte weitgehend vermieden werden und das jederzeit und überall durchgeführt werden kann. Merkmale wie Engagement, Individualität, Regelfreiheit und Selbstoptimierung – Attribute unserer heutigen Arbeitswelt – werden symbolisch auf den Körper übertragen. Es gibt auch Textinhalte, die auf den Gesprächen des Künstlers mit Arbeitern vor Ort basieren und deren Erfahrungen mit der Arbeit als Machtfaktor und deren Bedeutung sowie Utopien und Überlegungen zur Beziehung zwischen dem Einzelnen und der Arbeit untersuchen und die Gesellschaft.

“DAS RADIKALE EMPHATIACHAT” (2018): Anna Witt ist einer Gruppe junger Menschen in Leipzig gefolgt und hat ein Manifest für eine potenzielle Jugendbewegung entwickelt. Die jungen Erwachsenen haben mehrere Monate damit verbracht, dieses Projekt in enger Zusammenarbeit mit dem Künstler zu realisieren. In ihren Gesprächen diskutieren sie ihre persönlichen Vorstellungen von sozialen Utopien und drücken ihre eigenen Gefühle gegenüber den vorherrschenden Systemen aus. Indem sie bestehende Normen und Werte unserer Gesellschaft hinterfragen und dekonstruieren, folgen sie ihren Vorstellungen von diesen Konzepten und ihren Bedeutungen, um den inhärenten Zweck der Jugendbewegung zu artikulieren. Nach ihrer eigenen Vorstellungskraft und Empfindung übersetzen sie ihr Manifest in physische Ausdrucksformen und performative Interventionen im öffentlichen Raum. Dieses Projekt wurde mit erheblichem Beitrag der Gruppe entwickelt, nicht nur als Teilnehmer, sondern von Anfang an und während des gesamten Prozesses als Co-Autoren. Utopische Ansätze werden offen und kommentarlos zum Ausdruck gebracht und regen die Zuschauer dazu an, Stellung zu beziehen. Die Erforschung von Autorenschaft und Hierarchien innerhalb partizipativer Konzepte spielt in Anna Witts künstlerischer Praxis eine besondere Rolle. Dabei schafft der Künstler fiktive Räume, um eine gewisse Distanz zu ermöglichen, wenn er die Gesellschaft und die eigenen Positionen auf spielerische Weise hinterfragt.

Tolles Engagement: Seite https://tanjawagner.com/videotheque/.

Texte/Bild: courtesy by Galerie Tanja Wagner

Datum: 18.03.2020 – 16.04.2020

Galerie Tanja Wagner

Veröffentlicht am: 19.03.2020 | Kategorie: Ausstellungen,

Eine Meinung zu “Galerie Tanja Wagner Vidéothèque

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