Wenn Algorithmen (KI) Kunst erschaffen

KI in der Kunst.

Die Digitalisierung der Welt schreitet unaufhaltsam voran und macht natürlich auch vor der Kunst nicht halt. Was vor ein paar Jahrzehnten noch Science-Fiction war, ist heute Realität: Kunst, die nicht von Menschenhand geschaffen ist, sondern von Computern. Kunst, die aus dem 3D-Drucker kommt. Bleibt die Frage: Ist das noch Kunst?

Es gibt Kunstwerke, die haben sich in mein Gedächtnis eingebrannt wie eine Signatur. Eins davon ist das „Schokoladenmädchen“, eine Pastellmalerei auf Pergament, gemalt von Jean-Étienne Liotard. Zu DDR-Zeiten hing es als billiger Druck gefühlt in jedem zweiten Wohnzimmer. Aber nie werde ich vergessen, wie ich in Dresden in der Galerie der Alten Meister fasziniert vor dem Original stand und gar nicht begreifen konnte, wie man ein Glas Wasser so malen konnte, dass es auch wirklich wie ein Glas mit Wasser aussieht. Wie der Künstler es vermochte, die Falten des Kleides und der Schürze so realistisch wiederzugeben, dass ich das Gefühl hatte, ich könnte reingreifen und den Stoff spüren. Die Kühle des Gewebes, die Festigkeit – ein Meisterwerk eben, in dem das Können, das Talent, die Gabe eines Menschen steckt.

Und heute? Lese ich davon, dass es nicht nur gelungen ist, die Bilder Rembrandts mit Hilfe von Algorithmen „nachzumalen“, sondern dass man es mit Künstlicher Intelligenz auch geschafft hat, den Computer ein Werk kreieren zu lassen, dass vom Meister selbst hätte sein können. Einen Künstler brauchte man dafür nicht mehr. Stattdessen wird eine Maschine mit zuvor gesammelten Daten des Künstlers gefüttert, der Programmierer drückt auf einen Knopf und schon beginnt die Maschine damit, eigenständig zu kreieren.

Und: Die Menschen mögen es. Im letzten Jahr wurde bei Christie’s in New York erstmals ein mittels KI produziertes Kunstwerk verkauft – für sage und schreibe 380.000 Euro. 2016 gab es auf der Art Basel ein Experiment, bei dem Bilder, die mithilfe von KI generiert waren, neben ganz normalen Kunstwerken hingen. Man befragte die Besucher, ob sie wüssten, welches von Menschenhand und welches von der KI produziert ist und in 75 Prozent der Fälle lagen die Befragten daneben und hielten die KI-Bilder für handgemachte Kunst. Gleichzeitig schwärmten viele über die „visuelle Struktur“ der Bilder, bezeichneten sie als „inspirierend“ und „kommunikativ“. (Spektrum der Wissenschaft 5.19; „Künstliche Intelligenz – Algorithmen erschaffen eigenständige Kunstwerke“)

Künstliche Intelligenz (KI) malt neuen Rembrandt

Und auch wenn ich dem Fortschritt gegenüber grundsätzlich aufgeschlossen bin, bereitet mir diese Entwicklung kein gutes Gefühl. Natürlich ist das, was aus der Maschine kommt, perfekt. Wahrscheinlich stimmt rein kunstkritisch betrachtet, alles. Die Technik, der Ausschnitt, die Farbabstimmung. Und doch fehlt für mich etwas, das eine Maschine einfach nicht in das Bild bringen kann. Es fehlt die Auseinandersetzung des Künstlers mit seinem Werk. So nervig die Frage „Was hat sich der Künstler dabei gedacht?“ im Kunstunterricht auch war – hier bekommt sie für mich plötzlich wieder eine Bedeutung.

Ein weiterer Punkt ist, dass ich dem/der Künstler*in, wenn mich das Bild anspricht, natürlich auch eine gewisse Bewunderung entgegenbringe. Fasziniert davon bin, wie jemand es schafft, ein Glas Wasser so zu malen, dass es eben auch wirklich wie ein Glas Wasser aussieht. Das Schokoladenmädchen als Produkt einer künstlichen Intelligenz würde diese Faszination in mir nicht auslösen und damit würde ein großes Stück dessen fehlen, was Kunst für mich ausmacht: Die Ehrfurcht davor und die Freude darüber, dass jemand sich auf einen Prozess eingelassen hat, der Höhen und Tiefen beinhaltet. Der Zweifel in sich birgt, aber auch Glücksmomente gebiert. All das steckt mit in einem Kunstwerk und all das fehlt, wenn eine Maschine „malt“. Da kann das Werk noch so perfekt sein, für mich bleibt es leblos.

Veröffentlicht am: 13.07.2019 | Kategorie: Kolumne Jeannette Hagen, Kunst, Kunst - was sonst noch passiert, Redaktion-Tipp, | Tag: Jeannette Hagen, KI,

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