Auf den ersten Blick haben die Werke von GÜNTHER FÖRG (1952-2013) und JULIAN LETHBRIDGE (*1947) scheinbar wenig miteinander zu tun. Beide stehen für verschiedene Kontexte, die sich nicht nur auf die angelsächsische Herkunft des in New York lebenden Lethbridge und das europäische Erbe bei Förg beschränken. Schaut man sich das jeweilige Oeuvre jedoch genauer an…
…fällt auf, dass beide mit Formen von abstrakter Malerei mit seriellem Charakter arbeiten bzw. arbeiteten. Förg wie Lethbridge erscheinen als kühle, strukturierte Beschwörer der modernen Poltergeister des 20. Jahrhunderts. Der Ausstellungstitel bezieht sich auf den gleichnamigen Song von Bob Dylan, veröffentlicht 1965 auf dem Album „Highway 61 Revisited“. Beide Künstler, Förg wie Lethbridge schätzten und schätzen ihren Kollegen, der wie sie mit ungeheurem Detailwissen, Demut vor der Vergangenheit und lockerer Schlagfertigkeit über den Kontinent der populären Kunst führt.
Günther Förg produzierte bevorzugt in Serien. In seinem Arbeitsfluss reihte er oft ein Bild nahezu übergangslos an das nächste. Der Maler arbeitete immer an mehreren Gemälden, aber nicht gleichzeitig, sondern er malte die Bilder hintereinander fertig. So konnte er ein neues Werk aus dem Abschluss des vorhergehenden Bildes entspringen lassen. Abgeschlossenheit und Selbstbezüglichkeit setzte der Künstler gegen eine referenz-orientierte Lesart seiner Bilder, Skulpturen und Wandmalereien, die oft als kritische Befragung der Moderne interpretiert wurden. Aus der Position des Perfektionisten, der wenig bis nichts dem Zufall überließ, entwickelte Förg eine Ästhetik, welche das Nicht-Perfekte in das Spiel der Produktion mit einbezog. Mitunter konnte die Kunst ins Einschüchternde und Schwere umschlagen, wie etwa bei den ab Mitte der Achtziger entstandenen Bronzereliefs. Etwas Rohes und Archaisches strahlen hingegen die „Masken“ aus, an denen Förg ab 1990 arbeitete: In Bronze gegossene, schemenhafte Gesichter, zum Teil aufgesteckt auf Bewehrungsstahl mit seiner charakteristischen Rippung. Sie erinnern etwa an Jean Fautriers „tragische“ Köpfe vom Anfang der Vierziger oder die Masken-Bronzen des französischen Fauvisten André Derain. Die ausgestellten „Vier Bronzeköpfe“ aus dem Jahr 1994 erscheinen wie Verwandte. Sie gehören, wie alle anderen in der Ausstellung gezeigten Förg-Werke zur Sammlung F.C. Gundlach in Hamburg.
Über eine Form gebändigter Expressivität könnte auch angesichts der Bilder des New Yorker Malers Julian Lethbridge spekulieren. Sie finden sich in der Ausstellung erstmals dem Werk von Günther Förg direkt gegenübergestellt. Lethbridge bearbeitet die erste, von ihm mit einem Palettmesser aufgetragene Farbschicht zunächst mit dem Werkzeug – um „etwas Struktur“ in die Oberfläche seiner Gemälde zu bringen. So erzeugt der Maler eine Form von Unruhe oder eine Art Gelände am Grund des Bildes auf welches er im Verlauf des weiteren Malprozesses reagieren kann. In der bewussten Zerlegung des Malens in verschiedene Schritte findet eine Strukturierung von Gesten statt ohne deren Energie zu negieren. Lethbrigde baut seine Bilder in Schichten auf, es gelingt ihm aber dennoch, seine Leinwände im Sinne eines ausdifferenzierten Gitters offen zu halten. Seine Pinselstriche bilden ein strukturiertes Raster, aus dessen Tiefe eine Form von Kühle entspringt, deren Verspieltheit etwas Verwirrendes hat. Vielleicht ist das der zeitgenössische Kern der Bilder von Lethbridge: er nickt zum Groove des abstrakten Expressionismus der klassischen New York School im Wissen um die Vergeblichkeit der Hybris der Klassisch-Abstrakten.
Günther Förg und Julian Lethbridge bei CFA Berlin
Datum: 22.03.2019 – 21.04.2019