Kuckei + Kuckei zeigt Nikola Röthemeyer – Urbanlandscapes

Urbanlandscape no 4 (flying fox)“, 2017, coloured pencil, graphite on paper, 56 x 44 cm

Mit ihrer aktuellen Ausstellung Urbanlandscapes stößt Nikola Röthemeyer das Tor zu gleich zwei neuen Werkgruppen auf. Namensgeber der Ausstellung sind ihre Urbanlandscapes, die Natur, in Form von Mensch, Gewächs und Tier und Architekturen miteinander verbinden.

Die zweite Werkgruppe sind ihre Innerlandscapes, in denen sie bereits vertraute Formen und Elemente mit Hilfe einer neuen Herangehensweise aufbricht und umformt. Ergänzt werden die Serien durch eine großformatige Raumzeichnung und zahlreiche Suchezeichnungen, die einen Einblick in ihre Arbeitsweise erlauben.

Bereits der Titel der Serie mit dem Auf und Ab der Buchstaben und die Verbindung der beiden Worte geben uns eine Ahnung auf das Kommende. Die Urbanlandscapes funktionieren als szenehafte Blicke in eine Welt aus schwindenden Architekturen. Im ersten Layout noch vorhanden eliminiert Nikola Röthemeyer im nächsten Schritt alle nicht essenziellen Elemente und entscheidet sich schließlich häufig für die Fläche und gegen die Linie. Die, mit dem Verzicht auf die Linie, entstehenden Negativräume bleiben für den Betrachter in ihrer Funktion erkennbar, doch der Raumeindruck wandelt sich von zeichnerischer Akkuratesse zu künstlerischer Reduktion. Eine Linie nach der anderen verschwindet und dadurch Wände, Decken, Mauern und Flure. Durch die federleichte Begrenzung einer Wolkenkante bleiben sie dennoch stets sichtbar.

Röthemeyers Protagonistinnen durchlaufen innerhalb der Serie einen Wandel von ruhender Kontemplation hinzu aktiver Entschlossenheit. Ihre Figuren, die sie wie Schauspieler in verschiedenen Rollen besetzt, rücken merklich in den Hintergrund und werden durch nun weitaus prominenter auftretende Tiere ergänzt. Auch unter ihnen gibt es alte Bekannte, wie den Hirschen, aber auch neue Wesen, wie das vorwitzige Manatee oder die beiden zankenden Kraniche.

Die Urbanlandscapes setzen sich im Besonderen mit der Durchdringung von Natur und ihren anthropogenen Resultaten auseinander. Dabei spielt der Prozess der Rückeroberung eine entscheidende Rolle. Dieser zeichnet sich nicht allein in der Größe der Figuren, sondern auch, wie in Urbanlandscape no 5 (Hummingbirds), in der Auflösung der Figur in den Bildhintergrund ab. Sie nimmt damit insgesamt eine Neubewertung der Bedeutungsebene der Figur vor. Darüberhinaus entlehnt sie das Motiv der Durchdringung von Innen- und Außenraum ihrer Serie von Collagen und hebt es auf eine rein zeichnerische Ebene.

Nikola Röthemeyers Innerlandscapes entstammen der Auseinandersetzung mit einem Tintenfleck nach Art eines Rorschachtests. Anders als bei ihren Urbanlandscapes beginnt sie die Zeichnung ohne eine konkrete Bildidee. Die Zeichnung kann sich frei auf dem Papier entfalten und damit eine „Innere Landschaft“ abbilden. Trotz der Aufgabe der Kontrolle ist sie sich der ständigen Spannung und kritischen Balance zwischen Logik und Intuition, zwischen rechter und linker Gehirnhälfte, bewusst. Ausgehend von den Umrissen des Flecks und den Maserungen der Tinte entsteht eine fantastische Innere Landschaft auf dem Blatt. Die Elemente der Zeichnung ergeben sich aus spontanen Begegnungen und resultieren in einem Verschmelzen von Information. Die Spiegelbildlichkeit des Flecks bricht Röthemeyer durch den Einsatz kontrastierender Farben. Abermals sind Räume von großer Bedeutung, doch anders als zuvor füllt Röthemeyer sie und verzahnt sie mit großem Geschick, ein Fragment mit dem anderen. Dabei geht sie an die Grenzen der eigenen Vorstellungkraft, indem sie die Arbeit sich spontan frei entfalten lässt. Die Zeichnungen können sich zudem von allen vier Seiten in das Blatt entwickeln, so schaut ganz unvermittelt ein Hirsch vom oberen rechten Rand der Innerlandscape no 1 und reckt sein gesponnenes Geweih Richtung Bildmitte. Die Innerlandscapes scheinen Schicht für Schicht zu wachsen und sind damit der exakte Gegenentwurf zur Schwesterserie der Urbanlandscapes. Während die Urbanlandscapes szenenhafte Momente festhalten werden die Innerlandscapes zu Reflektionsräumen in denen die Zeit still steht.

Nikola Röthemeyer wurde 1972 in Braunschweig geboren. Sie studierte Gebrauchsgrafik an der Burg Giebichenstein, Hochschule für Kunst und Design in Halle, ­Illustration an der École des Arts Décoratifs in Strasbourg, Visual Design an der Glasgow School of Art sowie Visuelle Kommunikation an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee. Von 2002 bis 2003 war Nikola Röthemeyer Meisterschülerin in der Zeichenklasse von Nanne Meyer. 2017 erhielt sie das Mathilde-Planck Lehrauftragsstipendium für freies Zeichnen an der Hochschule für Gestaltung Pforzheim.

Ihre Arbeiten befinden sich in der Sammlung des Deutschen Bundestages in Berlin, der Columbus Art Foundation in Ravensburg sowie in zahlreichen Privatsammlungen. Die Zeichnungen von Nikola Röthemeyer wurden im Rahmen von Einzel- und Gruppenausstellungen in Museen und Kunsthäusern im In- und Ausland gezeigt, u.a. im Krefelder Kunstverein, der Kunsthalle Ravensburg, dem Museum The Model in Sligo, dem Magazin4 im Bregenzer Kunstverein, der Galerie der Deutschen Gesellschaft für Christliche Kunst in München, dem Kunsthaus Kloster Gravenhorst, dem Haus für die Kunst in Hasselbach sowie in nationalen und internationalen Galerien.

Urbanlandscapes

11.11. – 20.12.2017

Kuckei + Kuckei

Linienstr. 158
10115 Berlin

Veröffentlicht am: 13.11.2017 | Kategorie: Ausstellungen, | Tag: Kuckei + Kuckei, Nikola Röthemeyer,

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