Der Kuss: Eine kleine Geste und eine große Inspiration für die Kunst. Kaum ein Ritual unserer Kultur, von dem eine so große Faszination ausgeht.
Gerade die Vieldeutigkeiten und Ambivalenzen des Kusses haben in der Kunst ein breites Echo gefunden – auch jenseits romantischer Vorstellungen von Liebe und Leidenschaft. Vor diesem Hintergrund spürt die Ausstellung dem Thema Kuss nach, das bis heute eine große Anziehungskraft auf Künstlerinnen und Künstler ausübt.
Als Auguste Rodin 1886 seine Skulptur „Le baiser“ (Der Kuss) der Pariser Öffentlichkeit präsentierte, wurde die naturalistische Ausführung des Motivs als anstößig empfunden. Heutzutage gehört Rodins „Kuss“ zu den populärsten Darstellungen sinnlicher Liebe in der bildenden Kunst. Die Kunst um 1900 beschäftigte sich geradezu obsessiv mit dem Kuss. So entdeckte der Jugendstil die ornamentalen Qualitäten des Motivs und brachte vor allem im Bereich der Druckgrafik ikonische Werke hervor. Auch in den morbiden, todessehnsüchtigen Bildfindungen von Décadence und Symbolismus spielte der Kuss eine zentrale Rolle.
Die todbringenden Küsse von Sphinx, Vampir und Co. sind Ausdruck einer Faszination des Fin de Siècle für die Verbindung von Eros und Tod, die sich auch in zeitgenössischen Geschlechterkämpfen widerspiegelt. In den 1890er Jahren begann der Film seinen Siegeszug als neues Massenmedium und machte sogleich von der Attraktion des Kusses Gebrauch. Es entwickelte sich eine Ikonografie des Küssens, die dem Motiv zu bisher ungekannter Popularität verhalf. Nach dem Ersten Weltkrieg blieb die Faszination der Kunst für den Kuss lebendig und erreichte im Expressionismus einen weiteren Höhepunkt. Vor dem Hintergrund aktueller künstlerischer und gesellschaftlicher Diskurse wurden der körperlichen Geste seit den 1960er Jahren neue, bisweilen auch politische Bedeutung zugeschrieben: Der Kuss wurde zum Symbol der sexuellen Selbstbestimmung, Themen wie Identität, Feminismus, (Homo-)Sexualität und Körper beschäftigen Künstler/innen bis heute. Berlins berühmtestes politisches Kussgemälde ist sicher der Bruderkuss zwischen SED-Generalsekretär Erich Honecker und Kreml-Chef Leonid Breschnew auf der East Side Gallery. Die Skizze des Mauer-Kunstwerks und Kultklassikers wird in der Ausstellung im Bröhan-Museum zu sehen sein.
Die Ausstellung „Kuss. Von Rodin bis Bob Dylan“ zeigt ein gattungs- und genreübergreifendes Kuss-Panorama der modernen Kunst vom ausgehenden 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Neben Malerei, Grafik, Skulptur und angewandter Kunst sind auch Beispiele aus Fotografie, Film, Videokunst, Installationen, Performance, Medizingeschichte und Werbung vertreten. Zu sehen sind Werke von Auguste Rodin, Franz von Stuck, Edvard Munch, Peter Behrens, Juergen Teller, Timm Ulrichs, Marina Abramović, Cornelia Schleime, Bob Dylan und vielen anderen. Während der Dauer der Ausstellung wird es verschiedene Live-Performances von Künstlern wie Nezaket Ekici, Römer + Römer und Mehtap Baydu geben.
Kuss. Von Rodin bis Bob Dylan
15. Juni bis 3. Oktober 2017
Bröhan-Museum
Schloßstraße 1a
14059 Berlin