Das MoMA ist so, wie es ist: Wunderbar! Warum soll es verändert werden? Ich hoffe, es gibt keine Sperrungen für das Publikum aus aller Welt.
Allerdings hätte ich nichts dagegen, wenn durch die Umbauten wieder ein Teil der Kunst zu einer zweiten MoMA-Ausstellung nach Berlin gehen würde. Aber das wird wohl nicht der Fall sein…
Best MASCH
Zerstört vom Wahnsinn: Jerry Saltz über die Erweiterungspläne des MoMA
Der Begriff „Kunst“ fiel praktisch nie. Vielleicht hatte ich deswegen irgendwann Tränen in den Augen und mir wurde schlecht, als ich drei quälend lange Stunden unter Ausschluss der Öffentlichkeit in einem Hintergrundgespräch zum zweiten radikalen Umbau des MoMA in weniger als zehn Jahren saß. (Die Schlagzeile des Tages lautet, dass das American Folk Art Museum abgerissen wird. Ich fand das Gebäude schon immer für Kunst betrüblich ungeeignet.)
Die namensgebenden Stararchitekten von Diller Scofidio + Renfro und der MoMA-Leiter Glenn Lowry schwadronierten unermüdlich von Zugänglichkeit und Besucherfluss, der institutionellen Bindung an die Stadt, von Anschlussfähigkeit und leichter Lesbarkeit und Orientierung, von chirurgischen Eingriffen, angeblichen Varianten von White Cube und Black Box (fragen Sie nicht), über soziale und performative Räume, Mikrogalerien, von Selbstkritik und „einem neuen, architektonisch bedeutenden Treppenhaus“. Je mehr ich gehört und gesehen habe, desto mieser und trauriger habe ich mich gefühlt. Innerlich bereitete ich schon meine Abschiedsworte ans MoMA vor: „Ich sah das beste Museum meiner Generation zerstört vom Wahnsinn.“
Die Pläne erinnern ziemlich an die letzte Erweiterung. Nur scheint diese neue sogar noch schicker auszufallen, mit noch mehr Glas – Verzeihung: „Transparenz zur Straße“ – und Räumen, deren Zweck vor allem darin besteht, dass Leute anderen Leuten dabei zusehen können, wie sie Leuten zusehen, die Leute ansehen. Es gibt seltsam gestaffelte Ebenen, von denen aus man durch Einbuchtungen von einem Stockwerk auf ein anderes blicken kann. Mit anderen Worten besteht der Plan aus theatralischem, pseudointellektuellem Säbelrasseln. Bei den Treppenaufgängen sowie den Event- und offenen Schachtelräumen hatte man offenbar modische Kunstformen im Sinn, was mir beweist, dass DS+R keine Museumsdesigner sind. Sie sollten bei Touristenattraktionen und Eventarchitektur bleiben.
Worauf läuft das hinaus?
Ungefähr 2019 oder später wird es anstelle des Folk Art Museums zwei ungefähr 200 Quadratmeter große, jeweils zweistöckige Glaskästen geben. Sie sehen aus wie übereinander gestapelte Squash-Felder, deren Front man zum Gehweg hin öffnen kann. Versuchen Sie gar nicht erst, sich vorzustellen, wie hier die ständige Sammlung des Museums hängen könnte; hier kann gar nichts hängen. In der Slideshow der Entwürfe sah man Charles Rays „Firetruck“-Installation auf der unteren Ebene, wobei die Front des Feuerwehrwagens auf die 53. Straße hinausragte – ein etwas seltsames Beispiel, wo das Museum die Arbeit gar nicht besitzt. DS+R nennen die Räume eine „Kunstbucht“, was sie vermutlich klangvoller als „Galerie“ oder „Raum“ finden. Es erinnert mich stark an eine Megagalerie in Chelsea, deren gläsernes Garagentor an warmen Tagen hochgefahren wird. Ich habe beim Schreiben schon wieder Tränen in den Augen.
Der obere Würfel soll „Gray Box“ heißen. Das haben die Beteiligten – allen Ernstes – damit erklärt, dass es eine Kreuzung aus dem „traditionellen White Cube und einer Black Box“ sei. Gezeigt werden soll dort der gleiche Kram, für den auch das Erdgeschoss gedacht ist, nur noch ein bisschen mehr Performance und ähnliches. DS+R sind ganz offensichtlich Performance-Fans. Alle haben immer wieder den „neuen Performance-Kurator“ betont. Darüberhinaus plant man noch eine Galerie mit Glasfront in einem zweiten Stock auf der 53. Straße.
Ich habe schon einen ganzen Haufen solcher Galerien gesehen und sie haben – abgesehen von den Meetings, auf denen die Entwürfe präsentiert werden, wo sie anscheinend den Treuhändern und Vorständen gefallen – niemals je funktioniert. Es sind bessere Korridore mit einer langen Wand. Sie begünstigen einen nur beiläufigen Blick und das dienen nur dem Beobachten von Menschen. Damit drückt man sich wieder vor dem zentralen Problem des MoMA, über das ich schon öfter geschrieben habe: Das Museum braucht ungefähr dreimal soviel Platz wie bisher, um seine Sammlung von Kunst vor 1980 auszustellen. Das hat man 2004 nicht hingekriegt, und man scheint es auch diesmal nicht zu schaffen.
Zugegebenermaßen bekommt sie ein bisschen mehr Raum, im Keller des 1,3 Milliarden teuren Gebäudeturms, den man gerade ein bisschen die Straße runter hochzieht. Netto allerdings wird sich das nach meiner Rechnung – obwohl natürlich alle ständig betonen, dass die Planungen im Fluss seien, was vermutlich Branchensprech für „wir wissen auch noch nicht so genau, was wir da tun“ ist – auf ungefähr zweitausend Quadratmeter belaufen, also etwa einen Gagosian. Gibt es auch Positives? Ich denke mal, dass der „Besucherstrom“, über den alle sprachen, flüssiger strömen wird. Häßlicher wohl auch.
Vom ersten Tag sowohl des neuen MoMAs wie des American Folk Art Museums an war der ganzen Kunstszene klar, dass beide an ihren zentralen Aufgaben scheitern würden. Jetzt wachsen die Katastrophen auf ewig zusammen. Vielleicht muss das ja so sein. Man kann davon ausgehen, dass alle Designexperten von den neuen, flashigen Räumen genauso wie vor zehn Jahren zur Eröffnung von den jetzigen schwärmen werden. Es bringt mich fast um, dies niederzuschreiben, weil ich dieses Museum zeit meines Lebens besuchen werde – aber nach dem Meeting war mir bestürzend klar, dass ich die unglaubliche Sammlung des MoMA niemals in einer angemessen Weise erleben werde. Auf Wiedersehen, MoMA! Ich habe Dich geliebt.
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