spectral void [ma] – Jürgen Partenheimer

Wie sieht Leere aus, wenn sie Form annimmt? Jürgen Partenheimer, Meister des minimalistisch-abstrakten Ausdrucks, erforscht in seiner aktuellen Ausstellung spectral void [ma] bei max goelitz genau diese Frage. Im Zentrum steht der japanische Begriff „Ma“, der Leere nicht als Nichts, sondern als Raum für Möglichkeiten definiert. Partenheimer gelingt es, diesen Freiraum auf beeindruckende Weise zu inszenieren – seine Skulpturen und Zeichnungen öffnen Räume, die zu Meditation und Reflexion einladen. Vom Dialog zwischen Skulptur, Bild und Raum bis hin zu schwebenden Bronzegebilden – Partenheimer schafft ästhetische Leere, die den Blick auf das Wesentliche lenkt.

In spectral void [ma] lotet Jürgen Partenheimer die Bedeutung wesentlicher Leere aus, die ästhetisch, philosophisch wie ökologisch notwendige Freiräume definiert. Der japanische Begriff „Ma“ steht dabei für die Leere als ästhetische Erfahrung und als Zeichen von Diskontinuität im Sinne des Innehaltens. Partenheimers Installation markiert jene räumliche Energie, in der die Leere als wesentliche Abwesenheit auf die Verbindung zwischen den Dingen hinweist. Die Ausgewogenheit der Distanz, ihr subtiler Rhythmus betont den Dialog der dynamischen Energie zwischen Skulptur, Bild und Raum. Die Bewahrung des offenen, unbesetzten Raumes, der Meditation und kritische Reflexion ermöglicht, charakterisiert Partenheimers gegenstandslosen Minimalismus.

Maze (2006-2024) ist eine Werkserie von Skulpturen aus Bronze, die wie Zeichnungen im Raum wirken. Die hängenden Formen bilden eine offene Struktur, die sich ausdehnt, wobei der Übergang von Zeichnung zu Skulptur fließend ist. Je nach Standpunkt der Betrachtenden erschließt sich eine Raumvorstellung, die sich in der Bewegung weiterzuführen und zu öffnen scheint. Durch die Drehung und Schwingung der an Hanfschnüren befestigten Skulpturen verstärkt sich dieser Eindruck. Partenheimer begann bereits 2006 mit Maze I die Zeichenhaftigkeit der Linie in Skulptur zu überführen und beschreibt die Werkserie als schwerelos anwesend, sowie als inneren Klang einer unendlichen Weite der Bewegung.

Die Serie Spectral Void (2024) umfasst Zeichnungen, die die Leere als eine Kraft erkunden, als bewußter Verzicht und zugleich als sinnlich ästhetische Erfahrung. Während einige Werke einen subtilen Bezug zur wahrnehmbaren Welt zulassen, vertrauen andere vollständig der Vorstellung und verzichten auf konkrete Zusammenhänge. So entstehen Freiräume, die sowohl den Betrachtenden als auch den Motiven selbst Entfaltungsmöglichkeiten und eine Balance von Anwesenheit und Abwesenheit halten.

Die drei Zeichnungen Spectral Void Reframed (Houston) (2024) entstanden während Partenheimers Reisen durch Texas, New Mexico und Louisiana und spiegeln die Erfahrung der Weitläufigkeit der amerikanischen Landschaft. Geprägt durch die scheinbar endlose Ausdehnung der Horizonte bezieht sich die Naturbeobachtung in den Abstraktionen auf die Komplexität von Freiräumen.

Easy Pieces (2024) ist durch übereinander liegende Farbflächen horizontal gegliedert, die durch unregelmäßige Linien miteinander korrespondieren. Die Komposition wirkt rhythmisch und meditativ, wobei jedes Farbfeld eine eigene Struktur und Textur entfaltet, die den Eindruck von Bewegung und Tiefe vermitteln. Partenheimers Malerei erforscht bei aller Vermeidung des Narrativen gedankliche Räume jenseits der sinnlich erfahrbaren Wahrnehmung. Die Abstraktion offenbart die Bewegung des Denkens, in der die Easy Pieces durch die Empfindung des Künstlers zur Form einer imaginären Landschaft finden.

Die Skulpturen Shoji (Ex) (2024) bestehen aus zwei kubischen Konstruktionen aus Holz und Bronze, die aus rechteckigen Streben gefertigt sind. Trotz ihrer identischen Formen erzeugt die unterschiedliche Materialität und Farbgebung einen klaren Kontrast, der das Verhältnis von Masse und Leerraum verhandelt. Die offene Struktur, die durch vertikale und horizontale Verstrebungen in mehrere kleinere rechteckige Felder unterteilt ist, definieren einen Raum, in dem Leichtigkeit und Transparenz hervorgehoben werden. Angelehnt an „Shoji“, japanische Raumteiler die zur flexiblen Unterteilung des Hauses genutzt werden und traditionellen Gestaltungsprinzipien folgen, greift Partenheimer deren strenge Form auf. Die Skulpturen wirken durchlässig und raumfüllend zugleich und erörtern die dynamische Komplexität der Leere.

Die poetisch abstrakten Werke des deutschen Künstlers Jürgen Partenheimer (*1947 in München, DE) stehen in der Tradition der Moderne, aus der er sein Werk konsequent entwickelt. In unterschiedlichen künstlerischen Ausdrucksformen – Malerei, Skulptur, Arbeiten auf Papier, Künstlerbücher und Text – verbindet er minimalistisches Formenvokabular mit lyrischem Inhalt. Dabei zeichnet sich sein Werk durch eine außergewöhnliche Beziehung von Linie und Form aus, die zu freier Assoziation einladen und der Welt der Imagination vertrauen. Bei aller Vermeidung des Narrativen erforscht Partenheimer in seiner Kunst gedankliche, geographische, historische und politische Räume und fragt nach Zusammenhängen hinter der sinnlich erfahrbaren Wahrnehmung. So könnte man Partenheimer als Kartograph imaginärer Welten bezeichnen: er schafft ein Universum, in dem das Kunstwerk als Zeichen und Ereignis einer metaphysischen, spirituellen Wirklichkeit lesbar wird. Für Partenheimer ist die abstrakte Kunst nicht selbstreferentiell, sondern eröffnet die Möglichkeit die Bewegung des Denkens in eine sichtbare Form zu überführen. Dieser einzigartige Ansatz wurde durch den Künstler als„ metaphysischer Realismus“ definiert.

Jürgen Partenheimer war bereits in den 1980er Jahren international auf den Biennalen von Paris (1980), São Paulo (1981) und Venedig (1986) vertreten. Einzelausstellungen des Künstlers wurden u.a. von der Nationalgalerie Berlin (1988), dem Stedelijk Museum Amsterdam (1997), dem National Museum of Fine Art, Peking (2001), dem CGAC in Santiago de Compostela (1999 und 2004), dem S.M.A.K. in Gent (2002), der Pinacoteca do Estado in São Paulo (2004), der Ikon Gallery in Birmingham und dem Kunstmuseum Bonn (beide 2008), sowie zuletzt in der Pinakothek der Moderne in München, dem Gemeente Museum Den Haag, der Sammlung Falckenberg-Deichtorhallen, Hamburg, der Contemporary Art Gallery, Vancouver (alle 2014) und dem Musée Ariana, Genf (2016) ausgerichtet. Jürgen Partenheimer lehrte am San Francisco Art Institute, der University of California, Davis, der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf, dem Royal College of Art, Edinburgh, der Rijksakademie in Amsterdam und an der Rhode Island School of Design, Providence. Bis 2011 hielt er eine Gastprofessur für Malerei an der Muthesius Kunsthochschule Kiel.

spectral void [ma] – Jürgen Partenheimer

13. September 2024 – 9. November 2024

max goelitz

Veröffentlicht am: 03.10.2024 | Kategorie: Ausstellungen, Kultur, Kunst,

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