Taubert Contemporary lädt mit der Ausstellung „daily bread“ von Axel Lieber dazu ein, das Alltägliche neu zu entdecken und zu hinterfragen. Lieber verwandelt simple Gegenstände wie Brote, Schubladen oder Verpackungskartons in poetische Kunstwerke, die uns einladen, unsere alltäglichen Gewohnheiten mit frischem Blick zu betrachten. Besonders faszinierend: Seine skulpturalen Werke spielen mit der Grenze zwischen Funktionalität und Kunst, zwischen Gebrauchsobjekten und skulpturalen Formen. Diese Perspektivwechsel und die unerwarteten Kombinationen machen „daily bread“ zu einem Erlebnis, das weit über das Gewöhnliche hinausgeht.
Taubert Contemporary präsentiert „daily bread“ die zweite Einzelausstellung des Künstlers Axel Lieber. Wer hat nicht schon einmal das Innere von frischen Brötchen zu Kugeln oder kleinen Wesen geknetet, um diese Formen, mit Verwunderung über den durch die Verdichtung veränderten Geschmack der Krume, anschließend zu verspeisen. Axel Lieber hat vier Brote und vier Brötchen ausgehöhlt, um dieses „Daily Bread“ (1995/2024) zu den rustikalen Pantinen einer Familie zu transformieren.
Was ist unser täglich Brot? Womit beschäftigen wir uns? Welche Anlässe zum Handeln geben uns die Materialien und Gegenstände, die uns umgeben? Wann werden die Objekte der Handhabung zu Subjekten, die uns herausfordern? Eine Schublade kann eine Behausung sein. Wir legen sorgsam Wäsche hinein, als Kind auch mal den Hamster. Axel Lieber dreht und wendet die Schubladen, stapelt sie zu einem Turm, baut Bilderrahmen als Fenster ein – und so entsteht daraus ein Gebilde, in das man sofort einziehen möchte: ein Modell für eine zeitgemäße „private Architektur“ (so der Titel der Werkserie). Das zu dieser Serie gehörende Bauwerk „Light in the Attic“ (2022) eröffnet Perspektiven in alle Richtungen, mit einem hellen Turmzimmer als Sehnsuchtsort, aufgeständert wie eine Wohnmaschine von Le Corbusier. Allerdings ist das Innere des Turms ein einziger lichter Raum, ein Schacht, in dem ein Lot eine Achse zieht.
Wie ein Panorama entfaltet sich ein Gerüst auf der Wand, das zur Werkserie „Mein konstruktiver Alltag“ gehört. Dafür hat Axel Lieber Verpackungskartons sowie Medikamentenschachteln auf ihre Kanten reduziert und nutzt ihre modulare Struktur, um daraus ein „House of Pain and Colour“ (2024) zu fügen.
Den Einstieg in die Ausstellung bietet eine Raumzeichnung, die aus Hosenträgern, Gürteln und Perlenketten besteht. In der Interaktion des im Raum verspannten und uns umspannenden, entkörperlichten Lineaments mit unseren Leibern entwickelt sich eine heitere „Gruppendynamik“ (1999–2024).
Verfahren des Alltags und Prinzipien des Skulpturalen sind das Entkernen, Umhüllen, Hängen, Stapeln, Modellieren, Auftragen, Dehnen, Reduzieren, Überlagern, Formen, Schichten, Kaschieren, Montieren, Reparieren, Verwerten oder das Ausschneiden. Der Unterschied zwischen dem Alltäglichen und dem Künstlerischen besteht in einer Perspektivverschiebung, in einer überraschenden Wendung, einer Verfremdung, in einer unvorhergesehenen Kombination. Sie resultiert aus einem Eingriff, der das Material, in dem bereits eine Geschichte eingeschrieben ist, einer neuen Erzählung zuführt: einer Poesie des Alltags.
– Nike Bätzner
Axel Lieber – daily bread
13. September 2024 – 2. November 2024