Parallel zum Gallery Weekend Berlin eröffnet Fluentum die Gruppenausstellung Live Stream, in der Videos, Skulpturen und Installationen mit dem Ausstellungsort sowie seinen Geschichten und Materialitäten in Dialog treten. Live Stream entsteht im offenen Austausch mit fünf Künstlerinnen und Künstlern, die eingeladen wurden, bestehende Arbeiten in Reaktion auf die spezifischen Gegebenheiten von Fluentum neu zu inszenieren. Durch die Folie von künstlerischer Praxis wird die historische Architektur des ehemaligen Luftgaukommando III und späteren US-Hauptquartiers aus klassizistischer Formensprache mit wuchtigem Naturstein zu einem breiten Feld aus Assoziationen. Über skulpturale Einschreibungen in das Gebäude erzeugen die Arbeiten in Live Stream eine Neuorientierung von Perspektiven und Gefühlszuständen, indem vertraute Blickachsen einer Aktivierung des gesamten Raumes weichen.
Im Herzen eines weitläufigen Areals gelegen, dienten die heutigen Ausstellungsräume ursprünglich als repräsentative Eingangshalle einer Militäranlage der NS-Luftwaffe. Gebaut als Büro- und Kasernenkomplex sticht der prächtige Eingangsbereich deutlich hervor. Mit dem Niedergang der Totalitarismen des 20. Jahrhunderts erlosch auch seine politische Funktion. Vor knapp zehn Jahren wurde damit begonnen, den Komplex in einen Wohnort zu verwandeln – eine Umnutzung, die sich über die ideologische Architektur legt und diese in der langen Zukunft beeinflussen und verändern wird. Die Ausstellung Live Stream stellt die Konfrontation aus Privatem und Öffentlichem, Häuslichem und Politischem, der Gegenwart und der Vergangenheit in ihr Zentrum. Wie im Titel angelegt, aktivieren die gezeigten Arbeiten wie ein Lebensstrom die starre Architektur des Ortes und spiegeln damit die spezifische Einschreibung von Menschen in die formale Abstraktion des nationalsozialistischen Materialvokabulars.
Bewegte Bilder und ihre Technologien scheinen allgegenwärtig, dabei tritt ihre Abhängigkeit zu den jeweiligen Trägermedien als stille Teilhaber oft in den Hintergrund. Durch das Abbilden und Abtasten von (imaginären) Räumen, Infrastrukturen und Architektur kehren die Werke in Live Stream die materiellen Bedingungen des Zeigens hervor. In Skulpturen und Videoarbeiten von Michael E. Smith wird durch subtil-verschmitzte Eingriffe das monumentale Gebäude zu formbarem Material, während Jason Hirata den Blick auf die soziale Dimension des Ausstellungsmachens lenkt. Eine Deckenskulptur aus alten Dielen von Patricia L. Boyd arbeitet mit der vom Treppenhaus gerahmten Leere vor Ort. Die Installation aus kinetischer Skulptur, Video und Sound von Matt Welch lässt den immateriellen Raum des Videos und die darin mäandernden inneren Zustände mit der behaglichen Wohnanlage rund um Fluentum verschmelzen. Nina Könnemanns Filme beobachten den öffentlichen Raum und brechen die Banalität des Alltags an seinen Seitenrändern auf. Live Stream wird kuratiert von Dennis Brzek und Junia Thiede.
Über Fluentum:
Fluentum widmet sich als gemeinnütziges, privat geführtes Ausstellungshaus dem Ausstellen, Produzieren und Sammeln zeitgenössischer Kunst mit einem besonderen Fokus auf die zeitbasierten Medien Film und Video. Als Initiative des Berliner Unternehmers und Sammlers Markus Hannebauer eröffnete Fluentum im Jahr 2019 seine Ausstellungsräume in einer ehemaligen Militäranlage in Berlin. Der Gebäudekomplex wurde zur Zeit des Nationalsozialismus zwischen 1936 und 1938 von dem Architekten Fritz Fuß als Luftgaukommando III erbaut und diente als zentrale Infrastruktur für die deutsche Luftwaffe. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude von den US-amerikanischen Streitkräften bis zum Abzug des letzten GIs im Jahr 1994 als Hauptquartier für Militär und Geheimdienst in West-Berlin genutzt.
Beitragsbild: Eingangsbereich Fluentum (Detail), Foto: Robert Hamacher.
Fluentum: Live Stream mit Patricia L. Boyd, Jason Hirata, Nina Könnemann, Michael E. Smith und Matt Welch
25. April 2024 – 27. Juli 2024
Fluentum