Kolumne: Kultur in Berlin – Und jetzt?

Kunstleben Berlin Kolumne von Jeannette Hagen. Kultur in Berlin – Und jetzt? Auf- oder Abstieg? Hoch oder Tief? Noch sexy oder doch schon ganz schön abgewrackt? Momentan ist es schwer zu sagen, wie das mit der Kultur in Berlin weitergeht. Wir haben zwar einen neuen Kultursenator und auf den ersten Blick scheint Joe Chialo auch viel von dem zu haben, was sich mit den Herausforderungen deckt, aber so richtig kommt die Sache bisher nicht ins Rollen.

Da verwundert es auch nicht, dass sich wieder einmal Kulturschaffende und -institutionen zusammengeschlossen und einen offenen Brief geschrieben haben. Sie mahnen an, dass lediglich drei Prozent des Gesamtvolumens des Berliner Haushalts zur Verfügung stehen würden. Ziemlich dünne sechs Seiten sei der Abschnitt „Kultur und Medien“ im Koalitionsvertrag. Ist das angemessen für eine Stadt wie Berlin mit ihrer kulturellen Vielfalt?

Die Frage ist schwierig zu beantworten. Vom Gefühl her würde man sofort zu einem Nein tendieren. Wir sehen ja, wie kleine Kulturvereine oder Bühnen zu kämpfen haben. Andererseits ist die Summe höher als noch zuletzt, wo es lediglich zwei Prozent des Haushaltsetats waren. Auch im Ländervergleich steht die Berliner Kultur besser da als andere. Im offenen Brief dagegen steht: „Vor dem Hintergrund von Pandemie-Folgen, Inflation, gestiegenen Energiekosten und Mieten und der angespannten Haushaltslage steht die Berliner Kultur aktuell erneut auf der Kippe. Und ein Ökosystem – das verstehen wir mittlerweile aus anderen Zusammenhängen – ist nicht so leicht wieder aufzubauen, wenn es erst einmal zerstört ist.”

Vielleicht ist es eher ein Verteilungs- als ein Etatproblem, das es in Berlin schon seit jeher zu bewältigen gibt. Wir leisten uns viel Großes, während das Kleine weiter schrumpft. Immer mehr Ateliers verschwinden, Vereine machen dicht, kulturelle Vielfalt weicht einer gewissen kulturellen Monokultur. Man kennt das aus der Buchbranche. Immer mehr Autor*innen kämpfen in einem Markt, der zunehmend darauf ausgerichtet ist, jene zu fördern und zu bewerben, die ohnehin schon bekannt sind. Der Rest lebt prekär und bleibt auf der Strecke.

Ob Chialo für die Lösung solcher Verteilungsprobleme der Richtige ist, wird sich zeigen. Die Fußstapfen, in die Chialo tritt, sind jedenfalls recht groß und damit natürlich auch die Erwartungen. Klaus Lederer war nicht nur über Parteigrenzen hinweg ein beliebter Politiker, sondern auch einer, der die Berliner Kultur und die Art, wie sie tickt, verstanden hat. So schreibt die taz: „Er hatte mit Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) diskret am teuren Rettungsplan mitgestrickt, der den abrissbedrohten Hamburger Bahnhof nunmehr dauerhaft für den Betrieb als Museum für Gegenwart sichert.“ Aber eben nicht nur das. Die Freie Kulturszene lag Lederer all die Jahre am Herzen und seine abrupte Abwahl schmerzt nicht wenige Kulturschaffende sehr.

Aber noch ist nicht aller Tage Abend, noch sind die Messen nicht gesungen und dass Berlins Kultur auf der Kippe steht, wie in dem offenen Brief behauptet, wage ich persönlich zu bezweifeln. Kulturell hat die Stadt unglaublich viel zu bieten und die Überlegungen sollten vielleicht mehr in die Richtung gehen, wie man dieses Angebot kostengünstiger macht und damit den Zugang nicht nur für ein auserwähltes Publikum ermöglicht. Und wie man den Wert von Kunst so transportiert, dass er von einem größeren Publikum geschätzt wird. Aber das ist ein Thema, das weit über die Grenzen von Berlin hinausgeht.
"

Veröffentlicht am: 13.07.2023 | Kategorie: Ausstellungen, Kolumne Jeannette Hagen,

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert